Wie Alma Mahler Walter Gropius musikalisch inspirierte

verehrte nicht nur als Geliebte und Freundin, sondern auch als Komponistin, Pianistin sowie Musikkennerin und ließ sich entsprechend von ihr musikalisch beeinflussen, wobei auch die Musik eine bedeutende Rolle einnahm.

In der Biografie von finden sich vor 1910 keine Hinweise auf ein weitergehendes musikalisches Interesse oder eine spezielle Begabung in diese Richtung – im Unterschied zu seiner und seinem jüngeren (, S. 44). In einem Briefentwurf kurz nach seiner Abreise aus Tobelbad schilderte , wie seine und sein in Timmendorfer Strand für die Familie musizierten und kommentierte dabei die Musik , die und offenbar schon während des Kennenlernens in Tobelbad thematisiert hatten: Ich bleibe dabei, daß es sehr großer Stil ist, es liegt mir künstlerisch ganz nahe; es ist so männlich losgelöst – abstrakt. Was Du vermißt[,] ist vielleicht die Vitalität, darin muß ich Dir beipflichten (WG15). Dass dabei ganz als Amateur sprach, schien ihm wohl bewusst, wie ein weiterer Briefentwurf, nur wenige Tage später entstanden, belegt (WG21). Darin gab er das Urteil eines geistvollen Laien über Musik aus einem Werk Stendhals wieder: Wenn ihm Musik die Gedanken[,] mit denen er sich \gerade/ beschäftigt[,] idealisiert, so sei die Musik vortrefflich, müsse er an die Musik denken, so sei sie Stümperei. Mir geht es akkurat so, kannst Du dich noch […] dahinein versetzen durch all die […] Hemmnisse des wissenden Fachmannes? Und weiter heißt es im selben Entwurf: Musik – Arch.[itektur] sind Schwestern[.] Du könntest […] Begeisterung in mir erwecken.

Als nach der Katastrophe ihre Kompositionstätigkeit nach vielen Jahren der Enthaltung wieder aufnahm und ihre Lieder sogar mit ihrem Mann zusammen überarbeitete, stieg auch Begeisterung: Das[,] was ein Weib einem Künstler sein kann, ein Mitschwingen, das könnte ich für Dich in Deiner Musik werden. […] Dein Genie soll Frucht bringen[,] Komponieren (WG47). Ab Mitte August zeigte sich dementsprechend als großer Bewunderer von Musik: Innerhalb des Briefwechsels finden sich 1910 und 1911 in seinen Entwürfen über 20 Erwähnungen, die eigene Musik betreffen, teilweise freundliche Nachfragen nach ihrer Kompositionsarbeit, teilweise Bitten um die Übersendung ihrer ersten publizierten Liedersammlung (im Dezember 1910 im Druck erschienen, siehe Alma Mahlers publizierte Lieder) oder liebevolle Huldigungen (Könnte ich eins Deiner Lieder hören \ich weiß nicht was ich darum gäbe/, WG106). An einer Stelle bat er sie sogar, ihm das Notenlesen beizubringen (WG62), an einer anderen speziell für ihn etwas zu komponieren (WG97). Die musikalische Inspiration schien ihn dabei selbst zu befeuern: So schilderte er in einem Entwurf, plötzlich eine wundervolle Musik, ganz einfache, große Töne im Kopf gehabt zu haben, die durch den Lärm des Tages zwar wieder verschwunden war, die er jedoch wiederzufinden und zu erinnern hoffte, da er keine Noten schreiben konnte (WG77).

Tatsächlich notierte er dies knapp zwei Wochen nach der Uraufführung der von in München, zu der auch angereist war. Wie so viele andere Zuhörer:innen des denkwürdigen Konzertes zeigte sich auch von diesem musikalischen Großereignis höchst ergriffen und voll Bewunderung für das Genie des Ehemannes seiner Geliebten. In einem Briefentwurf aus den Tagen danach in Wien, in dem er nach einem persönlichen Treffen mit emotional hoch aufgewühlt sogar ein Ende der Beziehung in Erwägung zog, heißt es: G[ustav]’s Musik hat mir so ans Gemüt gegriffen, daß ich mit dem Gefühl aus dem Konzert ging: wir könnens ihm nicht antun, vor diesem Menschen müssen wir uns beugen. Als ich die Biografie [über Gustav Mahler, ] las[,] wurde es noch viel stärker in mir und ich empfing Dich gestern mit der Absicht, Dir das zu sagen, daß wir rein bleiben müßten wollten (WG73). Einige Monate später besuchte eine Aufführung von in Berlin. Noch am selben Abend teilte er seine Gefühle in einem Briefentwurf mit und betonte, die Musik ihres Mannes in München nicht in völliger Klarheit des Verstandes wahrgenommen zu haben: Es war mir \heute/ alles neu und seltsam – ein fremder, ferner Titan hat mich geschüttelt, mich mit seinem kollossalischen Impuls mit fortgerissen, alle Register des Herzens berührt vom Dämonischen, \bis/ zu rührender Kindereinfalt […], das aufrichtige \einsame/ Gottsuchen in diesem Werk hat mich ergriffen, \und das Edle, das Edle/ da ich mich natürlich \ja schon ehedem/ mit Teilnahme in das Wesen seines Schöpfers versenken habe konnte, aber – ich fürchtete mich vor dieser fremden Stärke, denn meine Kunst wächst in anderem Boden auf (WG118). Ähnlich aufgewühlt zeigte sich noch einmal ein Jahr später nach dem Gedenkkonzert für mit dessen und am 25. September 1911 in Berlin (WG206): Ich ging tief ergriffen aus dem Conzert und habe den Hauch seines Genies gespürt. Das ist höchste Religiosität \Frömmigkeit/ und Inbrunst. Ja, ich glaube nun auch \aus eignem Erleben heraus/ an seine Unsterblichkeit. Froh bin ich, daß ichs so empfinden konnte. In einem weiteren Entwurf vom selben Tag kommentierte er außerdem die Leistung der Interpreten – das Dirigat von Oskar Fried, die Qualität des Orchesters, des Chors und der Solisten – sowie die wohlwollende Reaktion des Berliner Publikums (WG207).

war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast einem halben Jahr Witwe und hatte ursprünglich geplant, zum Berliner Gedenkkonzert anzureisen, jedoch im letzten Moment abgesagt. Die Beziehung schien zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Prüfstand, obwohl erst kurz zuvor in Toblach besucht hatte. Während dieses Aufenthalts hatte ihm auf dem Klavier nicht nur eigene Lieder, sondern auch vorgespielt: Warum bin ich nicht niedergekniet, als Du mir in T[oblach] vorspieltest. ich war so überwältigt, daß ich stumm war \in jenen Himmelstagen/ und nur in meine Umarmungen die Gefühle zu pressen verstand, die Du wecktest (WG204, vgl. auch WG185). Vor allem aber motivierte seit dem Tod ihres , weiter zu komponieren (WG154 und WG182) und schrieb: Deine Musik! Nun verstehe ich klar, was Dir in Deiner Ehe fehlte und was Dir Gustav im letzten Jahre bedeuten mußte – Einen knienden Bewunderer hast Du in mir für Deine Kunst gefunden (WG211).